Das Judentum in der Musik
Richard Wagner schrieb diesen antisemitischen Aufsatz im Jahr 1850 während seines Aufenthalts in Zürich. Am achten und neunten September 1850 erschien er in der von Robert Schumann gegründeten "Neuen Zeitschrift für Musik" unter dem Pseudonym K. Freigedank.Wagner reagierte mit seinem Beitrag auf eine vorangegangene Äußerung über den "hebräischen Kunstgeschmack". Er hielt es, wie er selbst schreibt, für notwendig diesen Gegenstand näher zu erörtern, um "das unwillkürlich Abstoßende, welches die Persönlichkeit und das Wesen der Juden für uns hat, zu erklären, um diese instinktmäßige Abneigung zu rechtfertigen, von welcher wir doch deutlich erkennen, daß sie stärker und überwiegender ist, als unser bewußter Eifer, uns dieser Abneigung zu entledigen."
Der Aufsatz fand zunächst keine große Beachtung, mit Ausnahme eines Protestes von elf Professoren des Leipziger Konservatoriums an Franz Brendel, den Herausgeber der "Neuen Zeitschrift für Musik".
Im Jahr 1869 veröffentlichte Wagner den Aufsatz als eigenständige Broschüre unter eigenem Namen mit einer Widmung sowie kurzen Vor- und Nachworten an Marie von Mouchanoff-Kalergis, die 1860 ein Defizit seiner Konzerte in Paris mit 10000 Frs. gedeckt hatte.
Wagner vertritt in seinem Aufsatz die These, daß "der Jude" an sich unfähig sei, "weder durch seine äußere Erscheinung, seine Sprache, am allerwenigsten aber durch seinen Gesang, sich uns künstlerisch kundzugeben". Gleichwohl sei "er" in der Musik zur Beherrschung des öffentlichen Geschmacks gelangt.
Er kritisiert das musikalische Schaffen jüdischer Komponisten seiner Zeit. Als gebildete Juden seien diese bestrebt, die "auffälligen Merkmale ihrer niederen Glaubensgenossen" von sich abzustreifen. Gerade dadurch aber seien sie zur "tiefen seelenvollen Symphatie mit einer großen gleichstrebenden Gemeinsamkeit", deren unbewußten Ausdruck der wahre Musiker und Dichter zu deuten habe, nicht fähig. Was "der gebildete Jude" auszusprechen habe, "wenn er künstlerisch sich kundgeben" wolle, könne "nur das Gleichgültige und Triviale sein, weil sein ganzer Trieb zur Kunst ja nur ein luxuriöser, unnötiger" sei. Wagner geht dabei insbesondere auf Mendelssohn-Bartholdy ein. In seinem theoretischen Hauptwerk "Oper und Drama" von 1852 hatte er die gleiche Kritik gegenüber Meyerbeer geäußert.
Im Jahr 1850 hatte Wagner den Aufsatz in der Absicht verfaßt, "den Einfluß der Juden auf unsere Musik mit Aussicht auf Erfolg noch zu bekämpfen". Bei der Wiederveröffentlichung im Jahr 1869 sieht er sich als Unterlegenen der jüdischen Agitation. Das seinerzeitige Pseudonym habe "dem Feinde das strategische Mittel" zu seiner - Wagners - Bekämpfung in die Hand gegeben. Mit der erneuten Veröffentlichung unter eigenem Namen will er seine Position der eigenen Anhängerschaft gegenüber offenlegen. Zugleich spricht er die Hoffnung an, "daß nur diese Offenheit auch Freunde im feindlichen Lager, nicht sowohl mir zuführen, als zum eigenen Kampfe für ihre wahre Emanzipation stärken könne."
Ungeachtet seiner antisemitischen Äußerungen hatte Wagner eine Reihe jüdischer Freunde und Mitarbeiter, z.B. Hermann Levi, der 1882 - allerdings nach Taufe und gemeinsamem Abendmahl - die Uraufführung des Parsifal dirigierte.
Die Publikation von 1869 zog zahlreiche Repliken nach sich, so Joseph Engel, "Richard Wagner, das Judentum in Musik, eine Abwehr", E. M. Oettinger, "Offenes Billetdoux an Richard Wagner", Dresden, 1869 und A. Truhart, "Offener Brief an Richard Wagner", St. Petersburg, 1869. Der Schriftsteller Gustav Freytag warf Wagner in einer Rezension der Schrift vor: "Im Sinne seiner Broschüre erscheint er selbst als der größte Jude".
Im Hinblick auf die Frage, inwieweit der Antisemitismus Wagners mentale Voraussetzungen des Holocaust im nationalsozialistischen Deutschland vorwegnimmt, ist der folgende Textabschnitt im Nachwort der Publikation von 1869 aufschlußreich: "Ob der Verfall unsrer Kultur durch eine gewaltsame Auswerfung des zersetzenden fremden Elements aufgehalten werden könne, vermag ich nicht zu beurteilen, weil hierzu Kräfte gehören müßten, deren Vorhandensein mir unbekannt ist. Soll dagegen dieses Element uns in der Weise assimiliert werden, daß es mit uns gemeinschaftlich der höheren Ausbildung unsrer edleren menschlichen Anlagen zureife, so ist es ersichtlich, daß nicht die Verdeckung der Schwierigkeiten dieser Assimilation, sondern nur die offenste Aufdeckung derselben hierzu förderlich sein kann."
Ein weiteres Thema der fortdauernden Auseinandersetzung mit der Schrift ist die Frage, inwieweit sie die Interpretation und die ästhetische Beurteilung der musikdramatischen Werke Richard Wagners beeinflussen muß.