Eurotunnel
Der Eurotunnel oder Kanaltunnel ist ein Eisenbahntunnel unter dem Ärmelkanal. Er verbindet Cheriton in Kent (England) und Sangatte in Nordfrankreich. Das lange geplante und sehr kostspielige Projekt, dem einige fehlgeschlagene Tunnelbauversuche vorangingen, wurde schließlich 1994 vollendet.
Eine Verbindung zwischen Großbritannien und Frankreich war schon bei vielen Gelegenheiten vorgeschlagen worden. Aber erst im 19. Jahrhundert glaubten die Ingenieure, dass die zur Realisierung solch eines Großprojektes nötigen technischen Fähigkeiten vorhanden waren. Es wurden von verschiedenen französischen und britischen Ingenieuren Vorschläge eingereicht und im Jahr 1880 Arbeiten an einem Tunnel begonnen, die aber wegen einer Überschwemmung bald wieder eingestellt wurden. Die britische Regierung hatte außerdem große Befürchtungen, dass eine feste Verbindung von den Franzosen als Invasionweg benutzt werden könnte. So wurden erst nach dem zweiten Weltkrieg die Konzepte erneut überdacht.
Im Jahre 1984 wurde die Idee erneut von der britischen und französischen Regierung ausgeschrieben, verbunden mit einem privat finanzierten Bau und Unterhaltung. Von den vier eingegangenen Angeboten wurde der Plan, der dem von 1973 am nächsten kam, ausgewählt und am 20. Januar 1986 verkündet. Der Vertrag wurde durch die zwei Regierungen in Canterbury, Kent am 12. Februar 1986 unterzeichnet und 1987 ratifiziert.
Der geplante Weg des Tunnels sollte von Calais nach Folkestone verlaufen (ein Weg, der länger als die kürzest mögliche Ärmelkanalquerung ist). Der Tunnel sollte in einer einzigen Kreideschicht verlaufen und dieser folgen, wodurch er tiefer gehen würde als vorangegangene Versuche. Auf großen Strecken des Weges ist der Tunnel so fast 40 m unter dem Meeresgrund, wobei der südliche Abschnitt tiefer ist als der im Norden.
Mit dem Bau des Tunnels waren 15.000 Arbeiter über sieben Jahre beschäftigt, wobei der Tunnel von beiden Seiten gleichzeitig vorangetrieben wurde. Der Hauptauftragnehmer für den Bau war ein britisch-französisches Konsortium verschiedener Bauunternehmen. Die Ingenieure verwendeten große Tunnel-Bohrmaschinen (TBMs), dies sind bewegliche Aushöhlungsfabriken, die das Bohren, den Abtransport des Materials und den Prozess des Abstützens der weichen und durchlässigen Tunnelwände mit Auskleidungselementen kombinieren. Nachdem die britische und die französische TBM nahe der Mitte eingetroffen waren, wurde die französische TBM abgebaut, während die britische in den Felsen umgeleitet und dort zurückgelassen wurde. Auf der englischen Seite wurden fast vier Millionen Kubikmeter Kreide ausgegraben, wovon ein großer Teil unter der Shakespeare-Klippe nahe Folkestone ins Meer geschüttet wurde, um 36 Hektar Land zu gewinnen.
Der Kanaltunnel besteht aus drei parallelen Tunneln: zwei Haupttunnel, in denen die Züge jeweils nach Norden beziehungsweise Süden fahren, und ein kleinerer Servicetunnel. Dieser Servicetunnel, der mit schmalen Fahrzeugen befahren wird, ist durch Querdurchgänge in regelmäßigen Abständen mit den Haupttunneln verbunden. So bekommt das Wartungspersonal einen sicheren Zugang zum Tunnelkomplex, und im Notfall können von hier aus Evakuierungsmaßnahmen eingeleitet werden. Weiterhin ist der Servicetunnel notwendig zum Abbau der aerodynamischen Schockwelle, die sich vor dem Zug aufbaut, damit dieser auch mit voller Geschwindigkeit durch den Haupttunnel fahren kann.
Am 1. Dezember 1990 trafen sich die beiden Tunnelröhren dort, wo sich heute eine der "Überkreuzungshallen" befindet, in denen die Züge von einer Hauptröhre in die andere umgeleitet werden können. Damit war es zum ersten Mal seit dem Ende der letzten Eiszeit vor über 13.000 Jahren wieder möglich, trockenen Fußes vom europäischen Festland nach Großbritannien zu gehen. Durch den Einsatz von Laservermessung bei Tunnelbau trafen sich beide Röhren mit einer Abweichung von weniger als 2 cm.
Der Tunnel wurde von Königin Elizabeth II und vom französischen Präsidenten Francois Mitterrand in einer feierlichen Zeremonie am 6. Mai 1994 offiziell eröffnet.
Der Tunnel ist 50 Kilometer lang, wobei 39 Kilometer unterseeisch sind. Die durchschnittliche Tiefe ist 40 m unter dem Meeresgrund. Er ermöglichte ab 1994 den Eisenbahntransport von Personen und Fahrzeugen. Fast sieben Millionen Passagiere nutzen die 35-minütige Reise durch den Tunnel jedes Jahr.
Die American Society of Civil Engineers (Amerikanische Gesellschaft der Bauingenieure) hat den Tunnel zu einem der modernen sieben Weltwunder erklärt.
Der Tunnel wird von der Firma Eurotunnel betrieben, die vier Arten von Zugdienstleistungen anbietet:
Häufig haben Asylsbewerber, die sich in Großbritannien bessere Aussichten auf Asyl als in Frankreich erhoffen, den Tunnel zur illegalen Einreise nach Großbritannien benutzt. Nur wenige versuchten, durch den Tunnel zu laufen oder sich an den Zügen selbst festzuhalten. Die meisten versteckten sich in Frachtbehältern oder auf LKWs, die den Tunnel durchqueren. 2002 führte die britische Immigrationbehörde in Kent ein hochentwickeltes Abhör- und Durchleuchtungssystem ein, um die Versteckten durch ihre Herzschläge oder ihre Atmung aufzuspüren. Anfang 2003 überzeugte die britische Regierung die französischen Behörden, das umstrittene Asylbewerberlager bei Sangatte zu schließen, das öfter Ausgangspunkt solcher Aktionen von Asylbewerbern gewesen war.
Im Film (Brian De Palma, 1996) wird Tom Cruise an einem Zug hängend von einem Helikopter in den Tunnel gejagt.
Diese große CGI-Szene enthält viele Fehler. Zwei der bedeutendsten Fehler sind der offensichtliche Gebrauch französischer Standard-TGVs im Kanaltunnel (Passagierzüge der SNCF verkehren nicht im Tunnel) und die rechteckige und zweigleisige Ausbauform des Tunnels. Tatsächlich benutzt der Eurotunnel zwei getrennte einspurige zylindrische Röhren, eine für jede Richtung.
Vorausgehende Versuche
Der heutige Tunnel
Planung
1957 wurde die Kanaltunnel-Arbeitsgemeinschaft gebildet. Sie empfahl 1960 einen Bahntunnel mit zwei Hauptröhren und einem kleineren Service-Tunnel. Das Projekt wurde 1973 gestartet, musste aber wegen finanzieller Probleme 1975 eingestellt werden.Bau
Gebaut wurde der Tunnel auf Druck Margaret Thatchers hin ohne staatliche Zuschüsse.Fertigstellung
Statistiken
Finanzlage
Bis zum heutigen Tag rechnet sich der Tunnelbetrieb nicht. Am 9. Februar 2004 vermeldete Eurotunnel einen Nettoverlust für 2003 von nahezu 1,9 Milliarden Euro aufgrund größerer Abschreibungen. [1]Betrieb
Während Eurostar-Züge in Frankreich und Belgien auf Neubaustrecken verkehren, die für eine Geschwindigkeit von 300 km/h ausgelegt sind, müssen sie in Kent teilweise alte, nicht für hohe Geschwindigkeiten geeignete Strecken benutzen. Zwischen dem Tunnel und London wird an einer durch die britische Regierung teilfinanzierten Hochgeschwindigkeitsstrecke, dem Channel Tunnel Rail Link (CTRL), gearbeitet. Im September 2003 wurde die erste Hälfte der Strecke in Betrieb genommen. Innerhalb des Tunnels fahren die Züge mit bis zu 160 km/h.Asylbewerber
Der Kanaltunnel in Filmen
Weblinks