Demokratie
Demokratie (von griech. demos "Volk" und kratein "herrschen") bezeichnet eine Lebens- und Herrschaftsform. Die Staatsgewalt geht vom Volk aus (Volkssouveränität). Dies geschieht entweder unmittelbar in Abstimmungen und Volksentscheiden oder durch Wahl von Repräsentanten. Häufig werden Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte als Merkmale von Demokratien angesehen.Im deutschen Grundgesetz in Artikel 20.2 ist das Demokratieprinzip festgehalten: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus". Auch in der österreichischen Bundesverfassung heißt es bereits im Artikel 1: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus."
Geschichte
Die Geschichte der Demokratie ist eng verknüpft mit der Idee der Naturrechte, heute eher bekannt unter dem Begriff Menschenrechte. Ausgehend davon wurde die Idee der Gleichberechtigung der Freien entwickelt, die sich in den frühen Ansätzen zu demokratischen Gesellschaften wieder findet. Die Mitgestaltungsbefugnisse eines Menschen hingen zunächst, wie von eben genanntem Begriff impliziert, am Status der Person: Nur Freie, was Sklaven, Frauen und Nicht-Bürger ausschloss, hatten diese Rechte inne.
Als erste Verwirklichung der Demokratie in der Geschichte wird die Attische Demokratie, angesehen, die nach heftigem Ringen des Adels und der Reichen mit dem einfachen Volk errichtet worden war und allen männlichen Bürgern der Stadt Athen Mitbestimmungsrechte in der Regierung gewährte. Beamte wurden per Los bestimmt oder gewählt.
Die Staatsform war nicht unumstritten, gewährte sie doch beispielsweise den Bürgern das Recht, Mitbürger, die als gefährlich für die Demokratie angesehen wurden, in die Verbannung zu schicken (siehe auch Ostrakismos, Scherbengericht) - eine Praxis, die recht häufig und nicht immer zum Wohle Athens angewandt wurde. Der antike Philosoph Aristoteles verwendet den Begriff Demokratie in seiner Politik negativ, um die Herrschaft des Pöbels zu bezeichnen und propagiert stattdessen eine Form der Mischverfassung zwischen Demokratie und Oligarchie, die Politie.
Auch die römische Republik verwirklichte bis zur schrittweisen, kontinuierlichen Ablösung durch das Prinzipat eine halbwegs demokratische Gesellschaft basierend auf der Idee der Gleichberechtigung der Freien. Die historisch für uns bedeutendere Leistung Roms dürfte allerdings die Etablierung einer frühen Form eines Rechtsstaats sein - einem Konzept, das ebenfalls eng mit unserem heutigen Verständnis von Demokratie zusammenhängt.
Zur Zeit des Mittelalters wurden die demokratischen Ideen nahezu vollständig aus Europa verdrängt, nur in den Städten mit den Bürgerrechten und Teilen der Schweiz überlebten diese Ideen teilweise.
Ab dem 17. Jahrhundert wurde von Jean-Jacques Rousseau der Begriff der Volkssouveränität propagiert, John Locke und Charles de Secondat Montesquieu etablierten im 18. Jahrhundert den Begriff der Gewaltenteilung - beides wird als elementare Bestandteile eines modernen, demokratischen Rechtsstaates betrachtet.
Gleichzeitig hatten sich in den USA fünf Indianer-Stämme zum Bund der Irokesen zusammengeschlossen und sich eine demokratische Verfassung gegeben. Benjamin Franklin und andere amerikanische Staatsmänner ließen sich von den Irokesen beraten.
Sowohl die Vorarbeiten dieser Philosophen als auch das Vorbild der irokesischen Verfassung fanden Berücksichtigung, als mit der Verfassung von Philadelphia 1787 der erste moderne demokratische Staat, die USA entstanden, und inspirierten ebenfalls die Französische Revolution.
Das "Volk" ist keine Einzelinstanz mit einem freien Willen, sondern eine (meist sehr große) Anzahl von gleich zu berechtigenden Individuen, von denen jedes seinen eigenen, freien Willen hat. Aufgabe demokratischer Systeme ist es also, sich so zu organisieren, dass dabei die Einzelinteressen ausgeglichen werden und sich die Entscheidungen nach einem emergierenden Gesamtwillen richten.
Da in der Praxis jedoch das Staatsvolk nicht über jedes Detail des politischen Tagesgeschäftes entscheiden kann, haben sich alle bestehenden Demokratien dergestalt organisiert, dass - meist auf mehreren Ebenen wie Gemeinde, Land, Staat etc. gestaffelt - Teile der Souveränität in Einzelentscheidungen an gewählte Volksvertreter abgegeben werden. Das Volk gibt dann in Wahlen die "grobe Linie" vor, an der sich die Vertreter zu orientieren haben (bzw. in der Praxis orientieren, da davon ihre Wiederwahl abhängt).
Der Einfluss, den das Volk als Souverän während der Amtszeit der gewählten Vertreter auf diese behält, unterscheidet sich in den unterschiedlichen Demokratieformen. In manchen System wie in der Schweiz behält das Volk ein Vetorecht gegenüber den Entscheidungen der Volksvertreter, in anderen besteht lediglich ein Petitionsrecht, wieder andere beschränken sich auf das Wahlrecht für die Volksvertretung. Es gibt auch, darauf sei an dieser Stelle hingewiesen, immer wieder die Forderung nach einer Umsetzung von radikaldemokratischen Systemen, die ohne Volksvertreter auskommen sollen oder das Repräsentationsprinzip verachten (siehe z.B. Partizipatorische Demokratie). Dabei handelt es sich um theoretische Modelle, die in diesem Artikel nicht weiter betrachtet werden.
Auch wenn Wahlen ein wesentliches Grundkriterium für Demokratien sind, so sind sie nicht das einzige: Wesentlich zeichnet sich eine Demokratie durch die Freiheiten und Rechte aus, die ihre Bürger gegenüber dem Staat beanspruchen können. Damit muss eine Demokratie unabdingbar die Menschenrechte gewährleisten. Insbesondere sind hier in diesem Zusammenhang das bereits erwähnte Wahlrecht, das Diskriminierungsverbot, das Recht auf freie Meinungsäußerung und eine unabhängig funktionierende Judikative als konstituierende Grundbausteine einer Demokratie zu nennen.
In der direkten Demokratie wird das Volk per Volksentscheid unmittelbar an den Entscheidungen beteiligt.
Das Rätesystem schließlich stellt eine Mischform zwischen direkter und repräsentativer Demokratie dar.
Die meisten modernen Demokratien sind repräsentative Demokratien, teilweise mit direktdemokratischen Elementen wie Volksentscheiden auf nationaler oder kommunaler Ebene.
Die Schweiz ist auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene eine direkte Demokratie, wobei auf nationaler und in den meisten Kantonen auch auf kantonaler Ebene ein Parlament Legislative ist, und das Volk bei Parlamentsentscheiden nur über Verfassungsänderungen (obligatorisch) und fakultativ über Gesetzesänderungen abstimmt. Zusätzlich gibt es für das Volk noch das Recht der Verfassungsinitiative, bei dem eine Anzahl Bürger eine Änderung der Verfassung vorschlagen kann, über die obligatorisch abgestimmt werden muss. Einige kleine Kantone haben statt des Parlaments die Landsgemeinde. Auf kommunaler Ebene gibt es in kleineren Orten keine Volksvertretung sondern Entscheide werden direkt in einer Bürgerversammlung diskutiert und abgestimmt.
Siehe auch: Delegated Voting
Nach dem klassischen Prinzip der Gewaltenteilung sind in Demokratien die Gesetzgebung und die Regierung zu trennen. In der Praxis sind (zum Beispiel über Parteizugehörigkeiten) beide nicht unabhängig voneinander zu sehen: Die Fraktion, die die Mehrheit im Bereich der Gesetzgebung hat, stellt in der Praxis meist auch die Regierung.
Der Unterschied zwischen einer eher präsidentiell und einer eher parlamentarisch ausgerichteten Demokratie liegt nun in den praktischen Auswirkungen des verfassten Machtverhältnisses zwischen Regierung und Gesetzgebung.
Präsidentielle orientierte Ausprägungen (Beispiel USA) zeichnen sich durch eine starke Stellung des Regierungschefs, des Präsidenten, gegenüber dem Parlament aus, in parlamentarischen Systemen regiert das Parlament in der Praxis ein Stück weit mit.
Praktische Auswirkungen haben zum Beispiel die Zustimmungspflichtigkeit des Parlamentes bei bestimmten Entscheidungen (in den USA beispielsweise kann der Präsident frei einen Militäreinsatz befehlen, in der Bundesrepublik benötigt der Kanzler hierfür in aller Regel ein positives Votum des Parlamentes.), oder Fragen des Haushaltsrechtes.
Bei präsidentiell orientierten Systemen findet man häufig eine Direktwahl des Präsidenten durch das Volk, um die starke Machtstellung stärker vom Souverän abhängig zu machen. In einer parlamentarischen Demokratie wird die Regierung meist vom Parlament gewählt und kann vom Parlament auch wieder abgesetzt werden.
In einer Konkordanzdemokratie, werden öffentliche Ämter nach Proporz oder Parität verteilt. Alle größeren Parteien und wichtigen Interessengruppen sind an der Entscheidungsfindung beteiligt und die Entscheidung kommt praktisch immer auf einen Kompromiss heraus. Der Entscheidungsprozess braucht mehr Zeit und große Veränderungen sind kaum möglich, andererseits sind die Verhältnisse auch über längere Zeit stabil und es werden keine politischen Entscheide bei einem Regierungswechsel umgestürzt. Die Schweiz ist ein Beispiel für eine Konkordanzdemokratie.
Heutzutage wird kaum ein Staat der Welt von sich behaupten, nicht demokratisch zu sein. In der Regel wird entweder der Begriff "Demokratie" oder "Republik" im Staatsnamen geführt. Dennoch führen einige Staaten die Demokratie zwar im Namen, denen wesentliche demokratische Elemente (zum Beispiel allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlen) fehlen. So wird zum Beispiel die Verwendung des Namens "Deutsche Demokratische Republik" für den kommunistischen deutschen Staat zwischen 1949 und 1990 von den meisten Menschen als nicht zutreffend erachtet, da die Staatsgewalt de facto nicht vom Volke ausging. (Im sowjetischen Machtbereich sprach man euphemistisch lieber von "Volksdemokratie".) "Nenn-Demokratie" trifft auch auf vorgeblich "demokratische" Abstimmungen zu, mit denen in diktatorischen Systemen Obrigkeitsentscheidungen durch das Staatsvolk "abzunicken" sind (typisch: 99,8% Ja-Stimmen).
Neben den dargestellten Definitionen zur Demokratie als Methode, realisiert durch politische
Institutionen, bedarf der demokratische Gedanke auch einer Verwirklichung in der Gesellschaft, damit die Prinzipien der demokratischen Staatsform auch in der Realität erfahrbar werden. Diese Auffassung, die das Demokratieprinzip auf möglichst alles ausdehnen will, also den Begriff der Volksherrschaft wörtlich nimmt, wird als Partizipatorische Demokratie bezeichnet.
Demokratie sollte nicht verordnet, sondern als organischer Prozess verstanden werden, der in der Öffentlichkeit stattfindet und eine pluralistische Meinungsbildung ermöglicht und fördert.
Hierdurch und durch den damit zwingend einhergehenden Schutz von Grundrechten (z.B. Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit) sowie durch die Instrumentarien der politischen Bildung und der öffentlichen Berichterstattung über gesellschaftliche und politische Ereignisse soll eine Eigendynamik zustande kommen: es entsteht eine aktive Gesellschaft (siehe Zivilgesellschaft), die in Deutschland zum Beispiel an der lebendigen Vereinskultur sichtbar wird. Auf diese Weise entstehen organisierte Interessensgruppen, die Einfluss auf die Politik nehmen können, und die in großem Umfang das gesellschaftliche Leben selbst gestalten.
In Brasilien entwickelte sich im Umfeld der Weltsozialforen auch Formen der partizipatorische Demokratie mit dem Recht, direkt auf auf die Budgetverwendung Einfluss zu nehmen.
siehe dazu:
Demokratische Strukturen haben sich in vielen Staaten durchgesetzt, ebenso in einigen Kirchen, z.B. Presbyterianische Kirchen, Evangelisch-methodistische Kirche, Schweizer Landeskirchen (in der Schweiz werden sogar katholische Pfarrer von der Gemeinde gewählt), jedoch kaum in der Wirtschaft (Ausnahme Genossenschaften).
Demokratische Strukturen gelten als eher langsam und schwerfällig und ungeeignet für schnelle Anpassung an wechselnde Umstände. Andererseits sorgen demokratische Strukturen für Stabilität und vorhersagbare Verhältnisse.
In der Politikwissenschaft sprechen einige Denker vom demokratischen Frieden unter Verweis darauf, dass Demokratien in der Geschichte bisher kaum Kriege gegeneinander geführt hätten, und werten dies als besonders positive Eigenschaft des demokratischen Systems. Allerdings kann zumindest die athenische Ur-Demokratie nicht als Beispiel für diese These herangezogen werden.
Der indische Nobelpreisträger Amartya Sen betont die wohlfahrtssichernde Kontrollfunktion der Demokratie. Ohne Demokratie gebe es für die Herrschenden keine Anreize, die Interessen der Mehrheitsbevölkerung zu vertreten. Demokratie sei somit ein Schutz vor Armut und Hunger.
Das demokratische Prinzip hat auch Grenzen. Mehrheitsentscheidungen können beispielsweise zu einer Benachteiligung von Minderheiten führen.
Deshalb sind in einer Demokratie oft unverletzliche Grundrechte wie die allgemeinen Menschenrechte und Grundsätze der Nichtdiskrimierung durch die Verfassung garantiert, die auch durch Mehrheitsbeschluss nicht aufgehoben werden können. So steht das Grundprinzip des Minderheitenschutzes, das Teil des wichtigen Freiheitskonzeptes des Pluralismus ist, als Ausgleich gegen das Mehrheitsprinzip. Zum Schutz von Minderheiten kennt die Schweiz das so genannte Ständemehr: Neben der Mehrheit der Stimmen muss auch die Mehrheit der Kantone (Stände) eine Verfassungsänderung befürworten (bei Gesetzesänderungen gilt das einfache Volksmehr).
Repräsentation
Verschiedene Demokratieformen
Demokratie findet sich umgesetzt u.a. in folgenden Formen wieder. Neben diesen Demokratievarianten in der Praxis gibt es eine Vielzahl von Theorien, die noch weitere Auffassungen über Demokratie vertreten (siehe Demokratietheorien).Repräsentative und direkte Demokratie
In der repräsentativen Demokratie wird der Volkswille durch die Wahl von Vertretern (Abgeordneter) umgesetzt, die dann stellvertretend für das Volk Entscheidungen treffen.Präsidentielle und parlamentarische Demokratie-Systeme
Mehrheitsdemokratie und Konkordanzdemokratie
In Mehrheitsdemokratien wird die Regierung aus Parteien zusammengesetzt, die im Parlament die Mehrheit haben. Damit hat die Regierung gute Chancen, ihre Vorschläge beim Parlament durchzubringen. Bei einem Regierungswechsel kann jedoch das Pendel wieder in die entgegengesetzte Richtung laufen. Großbritannien, die USA oder Deutschland sind Beispiele für Mehrheitsdemokratien.Nenn-Demokratien
Gesellschaftliche Perspektive
Deutschlands Weg zur Demokratie
Bewertung
Zitate
(Theodor W. Adorno: Minima Moralia, Teil 1, 1944)
(Winston Churchill in einer Rede im Unterhaus am 11. November 1947)Siehe auch
Alexis de Tocqueville -
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